Fotos: Bérénice Hebenstreit
Marionetten ohne Eingeweide
Eine Collage von Andrea Imler. Mit Texten von Mario Schlembach. Es spielten Johannes Schüchner, Susanna Hohlrieder, Ann-Catrin Malessa, Marcus Fassl, Sebastian Schley, Eva Bauriedl und Kai Krösche. Bühne: Jakob Brossmann. Kostüm: Katrin Hupf. Licht: Georg Fidi. Dramaturgie: Mona Linder. Regieassistenz: Bérénice Hebenstreit. Vorstellungen am 7./ 8./ 10./ 11./ 12. Mai 2011 im WUK Projektraum (Währinger Straße 59, 1090 Wien, www.wuk.at)
Sieben Menschen sprechen einzelne Texte. Sie sind nicht als fertige Figuren angelegt, vielmehr ist ihr Charakter unvollständig ausgeprägt. Sie sind Fragmente, eine Collage aus Erwartungen und Enttäuschungen, aus Empfindungen, überfordert von dem tagtäglichen Wunsch mehr zu spüren und gleichzeitig unfägig echte Begeisterung zu fühlen. Sie verlieren sich in zwischenmenschlichen Beziehungen und versuchen ihrem Leben eine letzte, einzige Prise Sinn abzuringen. Ihr individueller Tag ist nich mehr als ein unterschiedliches Fertigwerden mit Stunden. Ihre Welt ist von Verfall gekennzeichnet, der Glanz früherer Zeit ist abgegriffen, stumpf geworden, wie sie selbst. Aus Langeweile wird Tristesse. Der Schauspieler ist Seiltänzer - ständig gefährdet zu fallen, aus einer ihm zugewiesenen Rolle in eine nur scheinbare Wirklichkeit.
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(6 | Das Mädchen mit den blauen Augen) Man steht da Und schreit aus irgendwann Weil man es nicht aushält Schreit aus In einen rahmen hinein Der sich aus dem text Dem konvolut einer Aller sprachen ergibt Was ja von haus aus nichts werden kann Und dann nur den beweis anstrebt Das man sich versteht Alles Alle aus dem selben glas saufen Und dieselben tränen weinen Nichts verstehen und damit übereinstimmen. (M. Schlembach)
(1) Ich hab dir gesagt, dass ich nicht möchte dass du das tust. Hast du mich gehört? Du hörst jetzt sofort auf damit. Du machst mich so dermaßen wütend. Hör auf. Lässt du das jetzt endlich bleiben. Lass das bleiben. 6 isst seelenruhig Brandteigkrapferl. (A. Imler)
(5) Aus einem elenden Zustand sich zu erheben, muss selbst mit gewollter Energie leicht sein. Ich reiße mich vom Sessel los, umlaufe den Tisch, mache Kopf und Hals beweglich, bringe Feuer in die Augen, spanne die Muskeln um sie herum. Arbeite jedem Gefühl entgegen, begrüße A. stürmisch, wenn er jetzt kommen wird, dulde B. freundlich in meinem Zimmer, ziehe bei C. alles, was gesagt wird, trotz Schmerz und Mühe mit langen Zügen in mich hinein. Aber selbst wenn es so geht, wird mit jedem Fehler, der nicht ausbleiben kann, das Ganze, das Leichte und das Schwere, stocken, und ich werde mich im Kreise zurückdrehen müssen. Deshalb bleibt doch der beste Rat, alles hinzunehmen, als schwere Masse sich verhalten und fühle man sich selbst fort geblasen, keinen unnötigen Schritt sich ablocken lassen, den anderen mit Hundeblick anschauen, keine Reue fühlen, kurz, das, was vom Leben als Gespenst noch übrig ist, mit eigener Hand niederdrücken, d.h. die letzte grabmäßige Ruhe noch vermehren und nichts außer ihr mehr bestehen lassen. Eine charakteristische Bewegung eines solchen Zustandes ist das Hinfahren des kleinen Fingers über die Augenbrauen. (F. Kafka: Entschlüsse)
(7) Ich will nicht mehr. Hast du mich gehört? Ich will nicht mehr weiter machen. 4 blickt sie an. (7) Ich kann es nicht länger ertragen. Es macht mich kaputt. Dieses ewige... Wir machen weiter. Und immer weiter. Hast du mal überlegt wie ich mich dabei fühle? Wie es mir geht? 4 lächelt.
(7) Ja. Ich weiß. Ich weiß. Machen wir weiter. (A. Imler)
(1) Es ist eine masse im freiheitskampf Gegen eine freiheit Die sie nicht kennen Es ist eine elite die unter sich bleiben will Ewig leben will Weil sie als kinder Von den hirnlosen Immer wieder Weil der Kopf so schwer war Vorn über gefallen sind Von so schweren gedanken Als der zarathustra sprach im zug Am seil tanzte Und sie nichts verstanden Aber trotzdem vom Berge schrien' - (M. Schlembach)
(4) Wir Europäer befinden sich im Anblick einer ungeheuren Trümmerwelt, wo Einiges noch hoch ragt, wo Vieles morsch und unheimlich dasteht, das Meiste aber schon am Boden liegt, malerisch genug – wo gab es je schönere Ruinen? – und überwachsen mit großem und kleinem Unkraute. (F. Nietzsche: Die Fröhliche Wissenschaft)
(5) In der Melancholie kann sich eine sehnsüchtige Stimmung ausdrücken, Sehnsucht nach etwas Unerreichbarem, aber auch nach etwas Verlorenem, das wieder gefunden werden möchte. Im Unterschied zum Schweren in der Depression kann gerade der Schatten mit seiner Luftigkeit, Durchsichtigkeit und Flüchtigkeit ein leichteres und sogar heiteres Bild der Me-lancholie geben. (S. Flach: Im Licht des Schattens)
(6 | Das Mädchen mit den blauen Augen) Man steht da als lustobjekt Steht vor einem publikum das jede lust verloren hat Selber machen will Selber tun will Selber produzieren Selber schöpfen will Gegen eine masse an bühnen ankämpfen Die sich alle in einem ring versammeln Und darin verirren Obwohl alle denselben weg gehen Zu einer zeit Je wie die straßenbahn fährt Selben zeit Kommt man da Oder da Oder da An Zu der Und der Und der Oder der zeit (M. Schlembach)