Tschiep, tschiep! Toter Vogel, flieg!

Tschiep, tschiep! Toter Vogel, flieg!

Von Andrea Imler. Regie: Kai Krösche. Mit Susanna Hohlrieder, Sophie Prusa und Johannes Schüchner. Bühne: Kristof Kepler und Matthias Krische. Kostüm: Julia Grevenkamp. Dramaturgie: Kolja Burgschuld. Premiere am 3. März 2012 - weitere Vorstellungen 4./5./6. März, jeweils 20 Uhr im WERK (Neulerchenfelderstraße 6 - 8, 1160 Wien, www.daswerk.org)

Liegenbleiben bis zur Verwesung. Wundliegen aus freiem Willen. Ein junger Mann, eine junge Frau, ihre vergehende Liebe und ein mysteriöses Vogeltier, eingesperrt in eine Box - "Tschiep, Tschiep! Toter Vogel, flieg!" handelt vom Zerfall der Körper, vom Zerfall der Liebe, schließlich auch vom Zerfall des Sinns. Auf drei Simultanbühnen und stets räumlich voneinander getrennt spielen Susanna Hohlrieder, Sophie Prusa und Johannes Schüchner: Das in drei Gruppen geteilte Publikum sieht nur eine Perspektive auf einmal, kann die jeweils anderen Stimmen lediglich hören - und wechselt an bestimmten Stellen im Stück den Raum, um fortan der nächsten Figur zu folgen. Der Kauf einer Eintrittskarte berrechtigt dazu, an bis zu zwei weiteren Terminen das Stück in einem anderen Fall startend kostenfrei anzusehen. (Kai Krösche, www.darum.at)

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// 1 / Ich schau sie an, mit der immer gleichen Begeisterung für das Versehrte. Das Kaputte. Obwohl sie schön ist, irgendetwas fehlt ihr und ich bin nicht in der Lage zu definieren was es ist.
// 3 / Ich falle nicht auf. Bin unsichtbar. Fast durchscheinend. Lumineszent. Wenn ich hier liege. Und versuche langsam eins zu werden mit dem Untergrund. Mit den weißen Laken. Oder grauen Steinen. Ich kann es nicht. Weiß von der physikalischen Unmöglichkeit. Also müssten das doch eigentlich auch die anderen wissen? Sie gehen vorbei. Und ich werde doch langsam eins. Aber es dauert noch. Und noch. Ein langsamer Prozess. Der Fäulnis. Der immer da ansetzt, wo man ihn nicht sieht. Weil ich es so will. // 2 / Ich werde nicht aufgehalten und doch sind meine Hände gebunden, weil ich sie hinhalte zu dem anderen. Der sie mir bindet. Und was machst du? Nichts als daneben stehen und lächeln und nicken. Ich habe das Gefühl du heißt die Sache gut? Bist du dafür? Weil du nie das Gegenteil behauptet hast. Wenn du einfach nur stumm bleibst, heißt das auch viel. 3 lächelt. // 2 singt. / Gebunde Hände, das ist das Ende. Jeder Verliebten Passion. Es spricht noch der Blick. Von Liebe und Glück. Doch weiß das Herz nichts mehr davon. Man sagte gern verzeih. So geben wir uns Frei. Du fühlst doch auch wie ich. Es ist vorbei. // 3 / Gefangen. Eigentlich im eigenen Kopf. Ich kann keinen klaren Gedanken fassen, weil tausend Dinge meine Aufmerksamkeit fordern ohne etwas zurück zu geben. Aber etwas anderes habe ich auch nicht erwartet. Schätzungsweise ist das so. Genauso. // 2 / Ich frage ihn immer und immer und immer und immer und immer und immer und immer und immer wieder. Immer wieder. // 1 / Ich frage mich. Und dich frage ich auch. Nach der Wahrheit, die immer nur scheinbar ist. Nach dem Sinn und nach dem Zweck. Der – ganz wichtig – immer ein klein wenig relevanter als der Sinn zu sein scheint. Und dann fällt mir vielleicht auf. Du bist anders. Als der Rest. Du hebst dich ab. Erhebst dich. Aus dem Grab. Des Nichts-Tuns. Und Besser-Wissens. Denn wenn ich Nichts wüsste. Wäre das anders. Aber ich weiß sehr genau, was heute noch zu tun ist. Und was morgen. Die Listen sind gemacht. Und ich entscheide mich ganz bewusst dagegen. So oder So. Aus Faulheit oder anderen Gründen. Jedenfalls ignoriere ich Notwendigkeiten. // 2 / Eine Hand greift mich und zieht. Irgendwo setzt sie an, an einer ungeschützten Stelle und zieht. Und alles zieht nach vorne. Die Haut. Und mit ihr die Eingeweide. Lockern sich aus ihren Höhlen und schweben frei im Bauchraum, dem Zug entgegen. Und mir wird schlecht. Alles dreht sich und die Hand hört nicht auf zu ziehen. // 3 / Und ich will nicht mehr sein. 1 schaut sie an. 2 schaut sie an. 3 // Und dann falle ich und falle und falle und falle und falle und falle. Müssten denn nicht irgendwann jetzt oder jetzt oder jetzt oder jetzt oder jetzt oder jetzt oder jetzt meine Flügel aus den Federn fallen und mich mit einem plötzlichen Ruck wieder hoch reißen in die Lüfte. Müsste nicht in diesem Moment oder dem nächsten endlich der erlösende Ruck kommen und mich auffangen. Wohl kaum mehr. 2 sieht weg. 1 sieht weg. // 3 / Gleich ist es zu spät. Und ich sehe mich bereits mit schwarzen Federn am Boden liegen. Zerquetscht. Von der Schwerkraft unter Qualen auf den Asphalt gezogen und nicht mehr losgelassen. Tief hineingezogen in die Erde. (Textauszug)